Sterne und Bomben

Mit ihrem Comic "Persepolis" über ihre Kindheit im Iran und das Erwachsenwerden in Europa wurde Marjane Satrapi weltberühmt. Jetzt wurde die Comicvorlage verfilmt.

Von Petra Tabeling

​​Am Anfang fallen Sternchen vom Himmel, sie legen sich sacht auf die iranische Landschaft, gezeichnet in schwarz-weiß, mit einigen bunten Tupfen darin. Es ist die Welt, in der die kleine Marji (alias Marjane Satrapi) in den 70er Jahren aufwächst.

Sie lebt mit ihren Eltern in Teheran, in dessen Straßen sich der Protest gegen den autokratischen Schah formiert. Frech, altklug und stets politisch bewegt, fühlt sich Marji inspiriert, es den Erwachsenen gleichzutun und schon mal im Garten die Revolution mit Kinderspielen nachzuahmen.

Tragische Realität zwischen Revolution und Krieg

Tatsächlich dauert es nicht lange, bis die ersten Schüsse der Sicherheitskräfte des Schahs fallen und Satrapis zauberhafter autobiografischer Zeichentrickfilm "Persepolis" in schwarz-weiß die Tragik dieser Welt in banalen und doch so überzeugenden Strichen zieht. Stets getragen vom Dialog der kleinen Marji mit Gott, der, wie Aladin aus der Wunderlampe, nachts an ihrem Bett erscheint.

Marjane Starapis erster Kinofilm nach der gleichnamigen Comicvorlage "Persepolis" beginnt mit der Revolution von 1979, dem wenig später folgenden, mörderischen Krieg zwischen dem Irak und dem Iran und der beginnenden Diktatur des islamistischen Regimes, mit Bomben, Verfolgungen und Exekutionen.

Auch Marjis geliebter Onkel Anusch, den sie als ihren Held verehrt, weil er Kommunist ist und dafür im Gefängnis des Schahs gefoltert wurde, wird unter den Mullahs hingerichtet. Damit beginnt Marjis Entzauberung ihrer Kindheit und ihr lebenslanger Protest.

"Lachen ist die subversivste aller Waffen"

Doch Humor ist die beste Gegenwehr, und gepaart mit witzig-ironischen Kommentaren trägt die Ich-Erzählerin Marjane ihre Lebensgeschichte durch den Zeichentrickfilm.

Absurd anmutend etwa, wenn sich zwei iranische Tugendwächterinnen in ihren langen Tschadors über die kleine Marji beugen, die für ihren westlichen Kleidungsstil ("Punk is not ded") bestraft, werden soll. Oder wenn aus dem Kind Marji die erwachsene Marjane wird und der ganze Körper eine wilde pubertierende Metamorphose durchmacht.

Aber auch, als der erste Freund, in den sie magisch verliebt ist, zu einem popelnden Nichtsnutz wird, aus dessen Gesicht schließlich Beulen sprießen. Diese Szenen wirken nur im Zeichentrickformat gelungen, und es ist Satrapi besonders wichtig, dies transportiert zu wissen, denn "Lachen ist die subversivste aller Waffen", findet die iranische Comiczeichnerin.

Mit einfach anmutenden Strichen erzählt Satrapi alles, was wir in Cartoons so sehr lieben: die kindlichen Überzeichnungen der komplexen Realität, die sie uns einfacher verstehen lassen.

Mutige Selbstoffenbarungen

An manchen Stellen arbeitet der Film auch inhaltlich mehr aus der Vorlage heraus, zum Beispiel als die heranwachsende Marjane von ihren Eltern alleine nach Wien geschickt wird, um dort zur Schule zu gehen.

Doch Marjane führt ein Leben als Außenseiterin, fühlt sich als Iranerin in Österreich wie ein Mensch von einem anderen Planeten, erlebt erste Partys und ihren ersten Joint, aber auch jede Menge Enttäuschungen. Schließlich landet sie nach einer unglücklichen Liebe und einem Streit mit der Vermieterin auf der Straße.

Auch das sind die traurigen und stillen Momente des Films, in denen die Schatten besonders lang werden und die Grautöne in bedrohliche und kalte Szenen übergreifen, in der eine frierende junge Frau durch Wiens Winter zieht und voller Scham in Mülltonnen ihr Essen suchen muss.

Während Familie und Freunde im Iran leiden, erlebt Satrapi die Kehrseiten und die gesellschaftliche Kälte des reichen Westens:

"Ich hatte eine Revolution erlebt, bei der ich einen Teil meiner Familie verloren hatte. Ich hatte einen Krieg überlebt. Aber eine banale Liebesgeschichte hätte mich fast umgebracht." Eine mutige Selbstoffenbarung Satrapis, denn das ist nicht Fiktion, es ist ihr Leben, das sie heute als erfolgreiche Comickünstlerin in Paris verbringt.

In Cannes prämiert - für den Oskar nominiert

Diese Authentizität verhalf bereits Marjanes Comic "Persepolis" vor Jahren in Frankreich zum Durchbruch. Die Geschichte über ihre Kindheit und Jugendjahre im Iran und in Europa wurde millionenfach verkauft und in viele Sprachen übersetzt.

Angebote aus der Traumfabrik Hollywood, "Persepolis" in einen Spielfilm umzusetzen, schlug sie aus. Die Strategie scheint sich als richtig erwiesen zu haben: Beim Filmfestival in Cannes 2007 gewann Satrapi zusammen mit ihrem Co-Regisseur Vincent Paronnaud den "Preis der Jury" und "Persepolis" wurde 2008 selbst für den Oscar nominiert.

"Persepolis", der bedeutungsvolle Titel von Comicvorlage und Film, der auf die untergegangene antike Stadt der persischen Königsdynastien verweist, die einst das Zentrum der Welt werden sollte, ist keine Geschichte über den Iran und die "Achse des Bösen".

Universelle Geschichte über Liebe und Hass

Es ist viel mehr eine Initiationsgeschichte, eine Geschichte über Liebe und Tod, über die wahre und die falsche Liebe, über Vorbilder, und über die Suche nach dem richtigen Leben, das sich bei Satrapi immer wieder in den Worten ihrer Großmutter widerspiegelt: "Integrität, Marjane, Integrität! Du musst dir selbst treu bleiben."

Und Marjane Satrapi ist sich treu geblieben, ganz wie es die kleine Marji im Film zu Beginn ankündigt: "Ich liebte Pommes Frites mit Ketchup, Bruce Lee war mein großer Held, ich trug Adidas und wollte unbedingt zwei Dinge schaffen: Mir die Beine rasieren können und die letzte Prophetin der Galaxis werden."

Bruce Lee liebt die heute 37-jährige Marjane Satrapi immer noch und sie wird nicht müde, die Geschichte ihres Landes und seiner Menschen zu erzählen, die auch eine universelle Geschichte ist. Mit der Verfilmung hat die Iranerin damit erfolgreich ein Millionenpublikum erreicht, auch wenn ihr Film im Iran nicht zu sehen sein wird.

Petra Tabeling

© Qantara.de 2007

Qantara.de

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