Rezitation für Liebe und Frieden
Wie kam es zu der Idee, christliche Gesänge und Sufi-Rezitationen zu kombinieren? Und weshalb der Titel Salib Sufi?
Salib Fawzy: Alles fing 2014 auf einem Workshop mit dem ägyptischen Musiker Fathy Salama an. Damals arbeitete ich gerade an einer anderen Idee, nämlich christliche Gesänge und Sufi-Rezitationen mit westlichen Instrumenten und Entlehnungen beim Jazz zu verbinden. Als das glückte, begann ich mit der Arbeit am Salib Sufi-Projekt. Das Wort ṣalīb, also "Kreuz", ist hier nicht nur ein religiöses Symbol, sondern auch Teil meines Namens. Dadurch soll zum Ausdruck kommen, welche besondere Bedeutung das Projekt für mich persönlich hat. Das Projekt soll die Idee von der göttlichen Liebe unterstreichen, die ja auch bei den Sufi-Rezitationen ständig ein Thema ist.
Sufi-Gesänge und Rezitationen sind mit religiösen Riten verbunden. Sie präsentieren sie jedoch in einem künstlerisch-kulturellen Kontext. Was können Sie über den Zusammenhang zwischen Kunst und Religion sagen?
Fawzy: Kunst hängt ganz stark mit Religion zusammen. Kunst soll Menschen glücklich machen. Und Religionen rufen die Menschen auf, Gutes zu tun, einander zu lieben, Gott zu ehren und in Frieden miteinander zu leben. Ich versuche das im Alltag und bei meiner Arbeit als Künstler umzusetzen. Religion, Kunst und das Leben gehören untrennbar zusammen. Deshalb konzentrieren wir uns bei unseren Projekten auf die Berührungspunkte verschiedener Religionen. Und wir versuchen, verschiedene Musikstile unter einen Hut zu bringen. Damit wollen wir unterstreichen, dass uns diese Vielfalt dazu anspornen kann, danach zu suchen, was wir als Menschen miteinander gemein haben.
Vortrag und musikalische Begleitung unterscheiden sich bei christlichen Gesängen und Sufi-Gesängen. War es schwierig, beide zu kombinieren?
Fawzy: Bei den meisten bisherigen Projekten, die Sufi-Gesänge und christliche Gesänge in kombinierter Form präsentieren wollten, traten zwei Leute auf, einer für die christlichen Gesänge und einer für die Sufi-Gesänge. Ich wollte dagegen von Anfang an beide zusammen aufführen, zumal ja beide dasselbe erreichen sollen, nämlich eine Erhebung von Geist und Seele und eine Hinwendung zu Gott, dem Herrn des Friedens und der Liebe. Deshalb fand ich es nicht schwer, beide miteinander zu kombinieren. Schwieriger war es da schon, das ganze musikalisch umzusetzen sowie verschiedene Instrumente und Rhythmen aus Orient und Okzident einzusetzen. Den Einstieg haben wir über den Jazz gefunden. Jetzt wollen wir mit neuen Rhythmen und Musikstilen experimentieren.
Was ist mit dem Publikum? Wurde ihr Projekt durchweg positiv aufgenommen? Oder gab es zu Inhalt und musikalischer Umsetzung auch kritische Stimmen?
Fawzy: Viele Zuhörer fanden das Salib Sufi-Projekt gut, aber sicher nicht alle. Doch auch hier wollen wir uns weiterentwickeln. Vielleicht schaffen wir es, ein breiteres Publikum zu erreichen, das mit uns dieses akustische Erlebnis teilen will. Wir betonen stets, dass wir alle Religionen respektieren, und wir rufen zu Liebe und Frieden auf, denn das sind seit jeher universal gültige Werte der Menschheit, über die Grenzen kollektiver Identität hinweg.
Das Ensemble intonierte auch ein paar neuere Lieder, in denen es ebenfalls um Liebe und Frieden geht. Wie sehen Sie diese Verquickung zwischen Tradition und Moderne?
Fawzy: Wir stimmen da mit vielen Dichtern überein. In der Tat haben wir viele moderne Lieder im Programm. Die Verquickung von Tradition und Moderne ist ein ganz wesentlicher Bestandteil unseres Projekts und unserer künstlerischen Arbeit. Die Identität des Menschen hat immer eine lange Geschichte und kommt nirgendwo so deutlich zum Ausdruck wie in den Bereichen Kunst und Kultur.
Können Sie noch etwas über Ihre Teilnahme an der Veranstaltungsreihe Shubbak El Fann sagen?
Fawzy: Wenn Künstler ihre Arbeit gratis dem Publikum präsentieren können, ist das eine tolle Sache. Wir brauchen so etwas unbedingt. Solche Aufführungsmöglichkeiten waren in den letzten Jahren rar. Es wäre schön, wenn es Shubbak El Fann nicht nur in Kairo, sondern in allen ägyptischen Provinzen geben würde.
Das Interview führte Eslam Anwar.
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