Außergewöhnliche Klänge
"Nein", sagt Samir Joubran, "ich kann mich nicht daran erinnern, in einem Interview einmal nur über Musik und nicht auch über Politik gesprochen zu haben." Der Rahmen ist schnell abgesteckt, wenn man mit dem ältesten der drei Brüder spricht, die gemeinsam das palästinensische Trio Joubran bilden. Während Samir schon einige Jahre auf den internationalen Bühnen unterwegs ist, holte er Bruder Wissam erst 2002 dazu, Youngster Adnan folgte dann im Jahr 2004. Als Trio Joubran sind sie gerade im Begriff, ein immer größeres internationales Publikum zu begeistern.
Dabei gelingt ihnen locker der Spagat zwischen den Freunden arabischer Musik und den Besuchern großer Jazzfestivals. "Ich bin es gewohnt, über Politik zu reden", fährt Samir Joubran fort. "Für uns sind Nachrichten das tägliche Brot. Ich wünschte, das würde sich ändern, aber selbst meine kleine Tochter redet schon über Politik. Das wird so bleiben, so lange wir unter der Besatzung leben."
Es gibt wohl nicht viele Länder und Gegenden auf der Erde, in denen selbst eine zumeist instrumental vorgetragene Musik so schnell und scheinbar automatisch in die Mühlen der Politik gerät. Dabei sind die Konzerte des Trios, jedenfalls die in Europa, zumeist brillante Performances zwischen cooler Zurückhaltung und innigster Kommunikation. Und frei von Politik.
Drei Bandleader auf der Bühne
Die Besetzung allein ist schon spektakulär. Der libanesische Oud-Spieler Rabih Abou-Khalil vergleicht sein Werkzeug, die fünfsaitige arabische Laute, gern mit dem Piano, dem klassischen europäischen Chefinstrument. Sie ist gemeinhin das Instrument des Bandleaders. Und so sitzen da also gleich drei Bandleader auf der Bühne beim Trio Joubran, Söhne des bekanntesten Oud-Bauers Palästinas. Nun sind erfahrene Jazzgänger gewöhnt an Experimente, auch an ausgefallene. Und eine Bühne, auf der zwei Pianos stehen, ist beileibe keine Sensation mehr. Drei allerdings werden schnell zum organisatorischen Problem.
Das ist bei der Oud ganz anders. Aber: "Für ein arabisches Publikum ist das etwas absolut Außergewöhnliches, wenn sie uns erleben. Und für uns ist das eine große Herausforderung. Aber jeder von uns hat seine eigene Persönlichkeit. Und es gibt genügend wunderschöne Sounds, die man aus diesen fünf Saiten heraus holen kann." Auf klassische Songlänge sind die Joubrans nicht festgelegt. Ein Track kann schon mal gegen episch tendieren, wie das mehr als 18-minütige Stück "Safar" auf der CD "Randana", die als erstes gemeinsames Werk der drei erschienen ist, auf dem eigenen gleichnamigen Label Randana.
"Safar" zeigt die Brüder in großartiger Form, der Übergang von geschriebenem Material hinein in die Improvisation ist fließend. Allgegenwärtig ist der Respekt vor dem Können und den Tönen der anderen – bei jedem Einzelnen. Daraus resultiert, dass schon mal alle drei ins Abwarten kommen. Eine feine Rarität in einem Gewerbe, das davon lebt, Töne zu produzieren. "70 Prozent der Musik ist nicht geschrieben", erklärt Samir Joubran die Vorgehensweise der Band. "Ich will improvisieren. Das hat seine Ursache darin, dass jeder von uns eine starke Persönlichkeit ist. Und in der Improvisation gibt es eine Menge an Dialog zwischen uns. Dafür ist das Instrument ideal. Denn die Oud ist die Mutter der Gitarre."
"In Palästina rede ich nur über Liebe"
Dass das Trio auch anders kann, zeigt der Track, der nach "Safak" die CD beendet. "Ahwak" ist ein Song, der in den 50er-Jahren von Mohamed Abdel Wahab geschrieben und von Abdel Halim Hafez gesungen wurde, zwei der größten ägyptischen Musiker des letzten Jahrhunderts. "Ich liebe diesen Song", sagt Samir, "er war sehr bekannt früher und ist ein bisschen in Vergessenheit geraten. 'Ahwak' heißt 'Ich liebe Dich', und ich will damit zeigen, dass die Leute in Ramallah immer noch Liebe in sich haben."
"Ahwak" ist ein deutlicher Kontrapunkt zum Rest der CD. Aufgenommen in Ramallah, geht er recht schnell in Richtung Tanzmusik, und Samir steuert selbst den Gesang bei. In diesem Jahr waren die drei nur zu einem Auftritt in Palästina selbst. Samir: "Mir gibt das Energie für ein ganzes Jahr. Wir denken über eine Tour nach, die durch ganz Palästina führt, nicht nur nach Ramallah. Hebron, Bethlehem, Nazareth, Jerusalem, überall. Die Leute dort haben es verdient, dass sie unsere Musik hören können. Und eins ist klar: In Palästina rede ich nicht über Politik, sondern nur von der Liebe."
Max Annas
© Qantara.de 2005