Der Bildersturm der Taliban

Vor sieben Jahren zerstörten Talibanmilizen in Afghanistan die zwei größten stehenden Buddha-Statuen der Welt. Die Heiligtümer gehörten zum Weltkulturerbe, der internationale Protest war enorm – am schwersten aber wiegt der Verlust für die Kunst und Geschichte Afghanistans. Nasim Saber informiert.

Zerstörte Buddha-Statuen in Bamiyan, Afghanistan; Foto: AP
Die Buddha-Statuen von Bamiyan gehen auf die vorislamische Zeit Afghanistans zurück. Die Taliban waren nicht die ersten, die sich an den Statuen vergingen.

​​Vor sieben Jahren, am 12. März 2001, sprengten Taliban-Milizen auf Anordnung von Mullah Omar, Anführer der Taliban und damaliger de facto Staatschef Afghanistans, die Buddha-Statuen von Bamiyan in die Luft. Zuvor hatten die Taliban über nahezu einen gesamten Monat erfolglos versucht, die Buddhas durch Beschuss mit Panzern, Geschützen und Raketen zu zerstören.

Die Taliban sind Ikonoklasten – die Abbildung menschlicher Formen gilt ihnen als Anmaßung, mit der sich der Mensch auf eine Ebene mit Gott, dem Schöpfer, stellt. Mit der Zerstörung der Statuen sollten aber auch die Insignien der nicht-islamischen bzw. der vor-islamischen Kulturtradition Afghanistans getilgt werden. Neben den Stauen zerstörten die Taliban auch fast alle Ausstellungsstücke des Nationalmuseums in Kabul aus der buddhistischen geprägten Zeit des Landes.

Eine der weltweit bedeutendsten Mischkulturen

Das in Zentralafghanistan gelegene Bamiyan war früher eines der größten buddhistischen Zentren an der Seidenstraße, der antiken Handelsverbindung zwischen Asien und Europa. Die Symbiose von hellenistischen und buddhistischen Traditionen spielt eine besondere Rolle im Kunststil von Gandhara, also der antiken Region, die heute das Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan bildet.

Dieser Stil schlägt sich in den großen Buddhabildnissen deutlich nieder. In Gandhara trafen griechische Künstler und Handwerker auf eine vom Buddhismus geprägte Bildersprache und Kultur.

Bauwerke, Fresken, Skulpturen und Reliefs lassen Einflüsse aus verschiedensten Kunstrichtungen erkennen, finden aber durch Symbiose zu einer völlig neuen und eigenständigen Formensprache. So entstand im 1. – 5. Jahrhundert eine der bedeutendsten Mischkulturen der Welt. Zur Gestaltung von Heiligtümern und Gottheiten verwendete man kostbare Materialien und prächtige Farben.

Bild der Buddha-Statue in Bamiyan von 1963 vor der Zerstörung durch die Taliban; Foto: UNESCO
Ein bitterer Verlust für das kulturelle Erbe Afghanistans und der gesamten Region: Die Buddha-Statuen von Bamiyan wurden im 6. Jahrhundert christlicher Zeitrechnung errichtet und waren in ihrer Art einmalig.

​​Ursprünglich gab es im Bamiyan-Tal sechs Buddhafiguren, drei große und drei kleinere, die sich zum Teil in den Höhlen befanden. Die große Buddhastatue von 55 Metern Größe lag im Westen, ein sitzender, acht Meter großer Buddha befand sich in der Mitte des Komplexes und eine weitere 38 Meter hohe Buddha-Statue lag im Osten der Felswand. Diese Statue wird auf die Zeit des vierten und fünften nachchristlichen Jahrhunderts datiert. Sie war im Urzustand blau bemalt und hatte ein mit Blattgold verziertes Gesicht.

Die beiden großen Buddha-Statuen tragen Gewänder, die einer griechisch-römischen Toga nachempfunden sind. Die Statuen weisen zudem in ihren Abmessungen eine raffinierte Zahlensymbolik auf, die auf einen hohen Entwicklungsstand der damaligen Kultur hinweisen.

Dass die Statuen überhaupt errichtet werden konnten, ist dem Handel durch die Seidenstraße zu verdanken, durch den die Region zu Wohlstand gelante und so über die Mittel verfügte, ein sakrales Bauwerk von derart monumentalen Ausmaßen überhaupt zu verwirklichen.

Der größte Buddha aller Zeiten

Die liegende Buddhafigur wird nur in den Reiseberichten des chinesischen Mönches Xuanzang erwähnt. Von ihr fehlt bisher jede Spur. Sie soll angeblich über 300 Meter lang gewesen sein und den Buddha Mahaparinirvana dargestellt haben, also den Buddha, der ins Nirvana eingeht. Zemaryalai Tarzi, ein international renommierter afghanischer Archäologe, sucht seit Jahren mit seinem französischen Team nach dieser Statue.

Der liegende Buddha von Bamiyan wäre – sollte er gefunden werden – die größte Buddha-Statue aller Zeiten und eine große Sensation.

Die Taliban waren nicht die ersten, die sich über die Kultstätte hermachten – der Bildersturm setzte den Buddhas schon im 17. Jahrhundert zu: Damals beraubt man die Statuen ihres Schmuckes, das Blattgold wurde abgetragen. Man darf mutmaßen, dass hier religiöse Motive durch ökonomische Begehrlichkeiten befeuert wurden.

Trotzdem fungierte die Stätte noch bis zur Sowjet-Besatzung als Touristenattraktion. Im Krieg selbst wurden die Höhlen als Munitionsarsenal genutzt – das Tal war strategisch wichtig und Sowjets und die von den Amerikanern ausgerüsteten Taliban lieferten sich hier harte Gefechte.

Als die Taliban vor nunmehr sieben Jahren die beiden großen Buddhastatuen in die Luft sprengten, lösten das eine Welle der Empörung und Entsetzen in der ganzen Welt aus. Dieser Akt ist ein bitterer Verlust für die Kunst und Kultur Afghanistans, aber auch für die ganze Region.

Wiederaufbau in Sicht?

Einige Länder und zahlreiche renommierte Organisationen haben schon kurz nach der Zerstörung Pläne zum Wiederaufbau gefasst. Paradoxerweise drang die Existenz der Buddha-Statuen erst nach ihrer Sprengung deutlich in das Bewusstsein der Weltöffentlichkeit.

Die Schweiz, aber auch das in Bezug auf Entwicklungshilfe immer äußerst großzügig auftretende Japan, haben zugesichert, die Mittel für den Wiederaufbau bereit zu stellen.

Seit März 2004 arbeitet zudem ein Restauratorenteam der deutschen Abteilung des International Council on Monuments and Sites, finanziert vom deutschen Auswärtigen Amt, an der Bergung und der Dokumentation der Felsfragmente. Grundlage der Rekonstruktion sollen die Daten des Kartographen Robert Koska dienen, der die Statuen noch vor dem Sowjet-Einmarsch für die Universität Graz vermessen hat.

Es gibt indessen auch Stimmen, die den Wiederaufbauplänen kritisch gegenüberstehen – die enormen Summen, die ein Aufbau verschlingen würde, könnte man auch für karitative Zwecke einsetzen. So oder so: Das Land ist noch auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen und die internationale Gemeinschaft darf die kriegsgebeutelten Afghanen nicht im Stich lassen.

Nasim Saber

© Qantara.de 2008

Qantara.de

Buchtipp: Bilder und Bilderverbot im Islam
Widersprüchliche Ansichten
Spätestens mit dem Karikaturenstreit wurde deutlich, dass hinsichtlich des Bilderverbots im Islam noch Klärungsbedarf besteht. Mit ihrem Buch legt die Islamwissenschaftlerin Silvia Naef zum ersten Mal einen systematischen und kompakten Überblick zu dieser Frage und der tatsächlichen Bilderpraxis in der islamischen Welt vor. Nimet Seker hat das Buch gelesen.

Fehler beim Wiederaufbau in Afghanistan
Zeitbombe Hindukusch
Die Situation in Afghanistan verschlechtert sich zunehmend. Die Taliban gewinnen täglich an Boden zurück und der Wiederaufbau geht bestenfalls schleppend voran. Martin Gerner berichtet.